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Brand in Hamburg durch explodierten E-Scooter-Akku kein Einzelfall

Inhaltsverzeichnis

Laut einem Sprecher des Lagezentrums der Polizei löste in der Nacht zum 28.3.2022 ein an einem Ladegerät hängender Akku eines E-Scooters einen Brand in einer Wohngemeinschaft an der Bürgerweide aus. Das Feuer war nach Medienberichten gegen 4.15 Uhr im Erdgeschoss ausgebrochen und schon nach kurzer Zeit schlugen bereits Flammen aus dem Fenster.

Mehrere Menschen mit Drehleiter aus dem brennenden Mehrfamilienhaus gerettet

In dem Mehrfamilienhaus breitete sich schnell dichter Qualm aus und Fluchtwege wurden durch Feuer versperrt. Insgesamt waren bei der Rettungsaktion über 50 Einsatzkräfte beteiligt und mehr als 17 Menschen wurden, teils mit Dreh- und Steckleitern, aus dem stark verrauchten Gebäude gerettet. Zwei Personen wurden mit Verdacht auf Rauchgasinhalation in ein Krankenhaus gebracht.

Abb. 1: Wohnungsbrand durch Explosion eines E-Scooter-Akkus
Quelle: t-Online vom 28.3.2022

Acht Brände in zwölf Monaten durch explodierende Akkus von E-Scootern und Hoverboards

Brände durch Akkus sind allerdings alles andere als selten. Wie in der folgenden Tabelle zu sehen, gab es allein in den letzten 12 Monaten fünf Brände durch Akkus von E-Scootern sowie 3 durch Akkus von Hoverboards in Deutschland, Österreich und England.

Brand eines Einfamilienhauses – Großeinsatz Feuerwehr – Rauchgasvergiftung

Ursache: Explosion eines Hoverboards-Akkus

https://www.tvo.de/akku-am-hoverboard-explodiert-300-000-euro-schaden-bei-wohnhausbrand-in-neustadt-bei-coburg-581431/

Abb. 2: Brandschäden durch Akkus von E-Scootern und Hoverboards
Quelle: eigene Recherchen und Zusammenstellung

Abb. 3: Brand eines Einfamilienhauses Explosion eines Hoverboard-Akkus
Quelle: https://www.tvo.de/akku-am-hoverboard-explodiert-300-000-euro-schaden-bei-wohnhausbrand-in-neustadt-bei-coburg-581431/

Produktrückrufe von E-Scootern und Hoverboards im Rapex-System der Europäischen Union (Safety Gate)

Die oben gezeigten Fälle sind aber wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs, da es hier zu dramatischen Ereignissen gekommen ist und die Fälle in den deutschsprachigen Medien veröffentlicht wurden. Schaut man sich die Produktrückrufe und Verkaufsverbote im Safety Gate der Europäischen Union (vormals Rapex-System) in den Jahren 2021 und 2022 an, so zeigen sich hier noch drastischere Ergebnisse.

Im Jahre 2021 wurden 11 Hoverboards und 2 E-Scooter mit Brandgefahr gemeldet. Von Januar bis März 2022, also in nur drei Monaten, kamen bereits wieder 4 Hoverboards und 2 E-Scooter mit Brandgefahr hinzu. Bei diesen Produkten handelte es sich um eindeutige Konstruktions- oder auch Produktionsmängel, die zu Feuer und großen Brandschäden hätten führen können

Warum sind insbesondere Lithium-Ionen Akkus so gefährlich und führen zu Explosionen und Bränden?

Die Akkus, die heute in E-Scootern, Hoverboards, E-Bikes und sogar Elektroautos genutzt werden, sind in der Regel Lithium-Ionen Akkus. Dies hat lt. dem Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung (IFS) einen einfachen Grund: „Die Lithiumtechnologie ermöglicht relativ kompakte Bauweisen bei gleichzeitig relativ hoher Leistung – Li-Ionen-Akkus haben also eine hohe Energiedichte.

Diese wünschenswerte Eigenschaft geht leider mit einem Brandrisiko einher, das bei Akkus anderer Bauweisen nicht in vergleichbarer Intensität vorliegt“

Quelle (Standt April 2022): https://www.ifs-ev.org/schadenverhuetung/feuerschaeden/lithium-ionen-akkus/?highlight=akkus

Brandursache: Thermisches Durchgehen

Die steigende Anzahl der Brände ist lt. IFS daher zum einen auf die steigende Zahl der Akkus zurückzuführen. Bei sachgerechter Handhabung (und einwandfreien Produkten!) geht von Li-Ionen-Akkus aber kein außergewöhnliches Brandrisiko aus. Die Technologie ist alltagstauglich und nicht generell gefährlich. Allerdings können bei technischen Mängeln oder unsachgemäßer Handhabung Defekte auftreten, in deren Konsequenz „der Lithium-Ionen-Akku seine gespeicherte Energie schlagartig unkontrolliert abgibt – man spricht vom „thermischen Durchgehen“, auf Englisch „thermal runaway“.

Ähnlich äußerte sich ein Mitarbeiter des ADAC Südbayern nach dem oben zitierten Brand eines Mehrfamilienhauses in München. „Grundsätzlich“, so der Experte „finden tagtäglich Millionen von Ladevorgängen statt, ohne dass es Komplikationen gibt. Wenn es zu einem Brandfall kommt, muss immer ein Defekt vorhanden sein, entweder am Akku selbst oder dem Ladegerät“.

Die meisten Brände entstehen beim Ladevorgang

Die Brandgefahr ist dabei während der Ladephase am größten. „Unserer Erkenntnis nach entstehen die meisten Brände in der Ladephase“, so Dirk Moser-Delarami vom TÜV Süd. Interessant und vielen Konsumenten nicht bewusst ist, dass das Brandpotential sehr stark vom Ladezustand des jeweiligen Akkus abhängt. Wenn es zu einem starken Temperaturanstieg in der Zelle kommt und der thermal runaway angestoßen wird, wird die gespeicherte Energie schlagartig freigesetzt. Je voller die Zelle zu diesem Zeitpunkt aufgeladen ist, umso größer die Intensität der Reaktion und die Explosions- und Brandgefahr.

Batteriemanagement-System (BMS) – proaktiver Schutz vor Feuer und Bränden

Um gefährliche Überladungen oder Tiefentladungen zu verhindern, die Kurzschlüsse, Explosionen und Feuer auslösen können, empfehlen die Experten des IFS den Einbau eines Batteriemanagement-Systems (BMS). „Die typische Ladeschlussspannung einer Lithium-Ionen-Zelle liegt bei 4,2 V. Eine typische Entladeschlussspannung beträgt 2,5 V. Bei einer Überladung oder einer Tiefenentladung kann es zu irreversiblen Schädigungen und zu Kapazitätsverlusten kommen.

Das Batteriemanagementsystem (BMS) soll Überladungen und Tiefentladungen verhindern. Es ist eine Sicherheitseinrichtung, mit der die Leistungsfähigkeit des Akkus geschützt und das Auftreten von Defekten verhindert werden soll. Bei den meisten handelsüblichen Produkten verhindert das BMS Anwenderfehler, indem es Lade- und Entladespannung regelt“.

Konstruktions- oder Produktionsmängel bei vielen E-Rollern und Hoverboards führen zu Produktrückrufen

Bei den oben erwähnten Produktrückrufen und Verkaufsverboten durch die europäischen Marktaufsichtsbehörden im Safety Gate 2021/2022 waren die Gründe aber eben nicht die „systemimmanenten Risiken“ der Lithium-Ionen-Technologie, sondern maßgebliche Konstruktions- oder Produktionsfehler.

Hier die Begründungen für den Rückruf zweier Hoverboards:

  1. Die Batterie verfügt nicht über ein Gerät, das die Zellentemperatur überwacht, daher kann sie während des Ladens überhitzt werden, und die Hoverboardabdeckung kann sich entzünden. Das Produkt kann zu einem Brand führen und der Benutzer kann Verbrennungen erleiden. Darüber hinaus werden die Netzkabel, die der Bewegung zwischen den beiden Motoren ausgesetzt sind, durch ein Stahlrohr mit Bohrkanten an beiden Enden geleitet. Während der Lebensdauer des Produkts wird die Isolierung der Netzkabel durch die scharfen Kanten so beschädigt, dass in der Batterie Kurzschluss auftreten und während des Gebrauchs explodiert.
  2. Das Produkt zeichnete sich durch eine schlechte Qualität aus, da die Netzkabel, die der Bewegung zwischen den beiden Motoren ausgesetzt sind, durch ein Stahlrohr mit Bohrkanten an beiden Enden geführt werden. Während der Lebensdauer des Produkts wird die Isolierung der Netzkabel durch die scharfen Kanten so beschädigt, dass in der Batterie ein Kurzschluss auftritt und das Gerät während des Gebrauchs explodiert.

Abb. 4: Zurückgerufenes Hoverboard
Quelle: Europäische Kommission, https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/webReport/alertDetail/10003522, Sprache: Deutsch, Datum: 11.04.2022

Auch ein Mitarbeiter des Herstellers des in Brand geratenen Akkus in München bestätigte lt. dem zitierten Artikel: „Bei bestimmten Produktions-Chargen mussten wir feststellen, dass auch Unregelmäßigkeiten während des Produktionsprozesses zu einem internen Kurzschluss führen können.“

Produktrückrufe von Hoverboards in den USA 2016 und 2017

In den USA mussten bereits in den Jahren 2016 und 2017 mehr als 20 Hersteller bzw. Importeuren ihre Hoverboards zurückrufen. Allein in 2016 waren hiervon mehr als eine halbe Millionen Produkte betroffen. Feuer und Explosionen waren die alleinige Ursache für diese Produktrückrufe und Brände durch Hoverboards waren beinah ein alltägliches Geschehen.

Zertifizierung von Hoverboards durch UL (Underwriters Laboratories)

Vor diesem Hintergrund war es das Ziel der amerikanischen Verbraucherschutzkommission CPSC (Consumer Product Safety Commission), diese Risiken zu begrenzen. In 2014/2015 entwickelte das amerikanische Unternehmen für Sicherheitstests Underwriters Laboratories (UL) eine Reihe von Tests für Hoverboards und andere selbstbalancierende Scooter mit der Bezeichnung „UL 2272 – Battery Systems for Use in Self Balancing Scooter“.
Grundlage für das entwickelte Prüfverfahren waren folgende Mängel, die bei Hoverboards immer wieder auftauchten:

  • Nicht gut genug aufeinander abgestimmte Akku-Ladenetzteil-Kombinationen
  • Schlechtes Produktdesign
  • unzureichende Fertigungsqualität der Akkus
  • Schlechte Verkabelung
  • Unzureichender Schutz der gesamten Elektronik mit Bezug auf Feuchtigkeit, Stoß, Temperatur

Anfang 2016 erfüllte erstmals ein Hoverboard der Marke Ninebot, der Muttergesellschaft von Segway, die hohen Anforderungen dieser Tests. Da zunächst nicht alle auf dem Markt verfügbaren Hoverboards in den USA diese neue Sicherheitsnorm erfüllten, gab es auch in 2017 zahlreiche Brände und Rückrufe. Ab November 2017 gab es allerdings keine Produktrückrufe mehr für Hoverboards in den USA.

Welchen Umfang haben UL-Tests bei Hoverboards?

Die Tests von UL betreffen insgesamt 5 verschiedene Aspekte

  1. Die Batterie

    Fast alle Hoverboards verwenden Lithium-Ionen-Batterien, weil sie klein sind, aber viel Strom speichern. Leider sind sie auch anfällig für Überhitzung und Explosionen. Um herauszufinden, ob dies bei bestimmten Hoverboards möglich ist, führt UL Tests durch, bei denen die Erhitzung einer Batteriezelle gezielt stimuliert wird.
  2. Das Ladegerät

    Hoverboards verwenden USB-Ladegeräte, und die sind nicht immer sicher. Bevor ein Hoverboard eine UL-Zertifizierung erhält, testet das Labor das Ladegerät. Ein schlechtes Ladegerät kann dazu führen, dass perfekte Batterien überladen und dann explodieren.
  3. Die Verkabelung

    Beim Bau eines Hoverboards ist es sehr wichtig, dass der Herstellungsprozess von hoher Qualität ist. Um Geld zu sparen, arbeiten einige Hersteller nicht mit der nötigen Sorgfaltspflicht. UL öffnet die Hoverboards und begutachtet die verschiedenen Bauteile sehr genau. Bei Produkten, die die Tests nicht bestanden haben, war die Verkabelung teilweise gequetscht oder lag frei, was leicht zu einem Kurzschluss führen kann. Einzelne Kabel waren nicht richtig gesichert, so dass sie sich beim Fahren lösen konnten.
  4. Andere Probleme bei der Herstellung

    Beim Blick ins Innere der Hoverboards tauchten verschiedene andere Mängel auf. Vereinzelt befanden sich im Inneren Metallspäne, die zu Kurzschlüssen und Kabelbrüchen führen können. Um die Stabilität der Konstruktion zu prüfen, führt UL zudem Falltests (Belastbarkeit von Platine und anderen Bauteilen) durch.
  5. Andere Tests

    UL führt viele weitere Tests für Hoverboards durch (z. B. einen Leckstromtest, einen Stoßtest, einen Crash-Test, einen Wasserbelastungstest, einen Temperaturwechseltest, uvm.).

Sicherheitsniveau von Hoverboards in Europa

Lt. Experten aus der Branche ist „nach derzeitigem Stand .. nur ein UL zertifiziertes Hoverboard wirklich sicher“ (Quelle: https://www.funshop.at/technik/gefaehrliche-hoverboards-und-ul2272-zertifizierung/). Dabei ist wichtig, dass nicht nur einzelne Komponenten ein UL Siegel tragen (z.B. der Akku), sondern das gesamte Produkt den Zertifizierungsprozess durchlaufen hat. Nur ein komplett geprüftes Hoverboard kann als sicher betrachtet werden, da nur ein ausgewogenes Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten die Sicherheit verspricht, die sich der Kunde wünscht.

In Österreich haben nach Ansicht von Branchenexperten 95 % der angebotenen Hoverboards keine UL2272 Zertifizierung, weil die meisten dieser Self Balancing Boards die vorgegebenen Standards nicht einmal ansatzweise erfüllen können. Viele dieser Produkte, die online oder sehr preiswert von Elektromärkten und Möbelhäusern verkauft werden, wurden von der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde schon lange als sehr gefährlich eingestuft und sind in den USA verboten. Händler in Amerika sind verpflichtet, diese gefährlichen Produkte gegen Rückerstattung des vollen Kaufpreises wieder zurück zu nehmen!

Hoverboards, die über Amazon in Deutschland verkauft werden

Schaut man sich auf den Amazon Seiten in Deutschland zum Thema Hoverboards um, so wirbt nur ein Hersteller mit einer UL 2272-Zertifizierung (Stand: April 2022) und auch auf anderen Plattformen ist eine derartige Zertifizierung offenbar kein Verkaufsargument.
Das brandgefährliche Problem der oft online verkauften Produkte liegt sehr oft darin, dass Anbieter von E-Bikes, E-Scootern oder Hoverboards Einzelteile (z.B. Lithium-Ionen-Akkus oder Ladegeräte) verschiedener Hersteller kaufen und zusammen anbieten, die isoliert betrachtet möglicherweise durchaus geprüft wurden und allen rechtlichen Anforderungen entsprechen.

Allerdings wird oft vernachlässigt (und oft nicht geprüft), ob das Zusammenspiel der einzelnen Bauteile auch unter unterschiedlichen Bedingungen (Kälte, Hitze), bei längerer Belastung oder in den Grenzbereichen der Spezifikationen Probleme verursachen. Ein Test des kompletten Produktes unter verschiedenen Bedingungen ist in Europa derzeit noch nicht gesetzlich geregelt, da es keine europäische harmonisierte Norm gibt. Nichtsdestotrotz werden Marktüberwachungsbehörden bei Produktmängeln die Vorgaben der UL heranziehen, um die kaufmännische Sorgfaltspflicht bei dieser und vergleichbaren Produktkategorien zu überprüfen.

Kosten für Tests nach UL 2272

Die Durchführung des in den USA verbindlichen Tests kostet für den Hersteller lt. UL zwischen 505 und 1.258 €. Der TÜV Süd bietet diesen Test ebenfalls an und vergibt bei Bestehen der Anforderungen ein diesbezügliches Zertifikat, das „im Rahmen einer freiwilligen Prüfung und Zertifizierung vergeben“ wird. „Geprüft wird der elektrische Antrieb, einschließlich der möglichen Kombinationen aus Akkus und Ladegeräten für elektrisch angetriebene Self-Balancing Scooter festgelegt in der Norm ANSI/CAN/UL 2272“.

Hier der Link zu den Angeboten der beiden Prüfhäuser:

https://standardscatalog.ul.com/ProductDetail.aspx?productId=UL2272
https://www.tuvsud.com/de-de/dienstleistungen/produktpruefung-und-produktzertifizierung/zertifikatsdatenbank/z2-375-akku-fortbewegungsgeraete

Welche Sicherheitsvorkehrungen sollten Verbraucher bei der Nutzung von E-Scootern und Hoverboards treffen?

Die Gefahr von Explosionen der Akkus oder Ladegeräte gerade bei preiswerten oder online gekauften Produkten ist gerade in Europa also nach wie vor immens. Verbraucher sollten lt. IFS folgende Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigen:

  • Verwenden Sie ausschließlich Ladegeräte, die vom Hersteller für den Akku oder, bei fest verbauten Akkus, für das jeweilige Gerät vorgesehen sind. Halten Sie sich an die Herstellerangaben, falls ein bestimmtes Ladegerät vorgeschrieben ist.
  • Zerlegen, öffnen oder zerkleinern Sie Akkumulatoren oder Batterien niemals.
  • Setzen Sie Zellen/Batterien weder Feuer noch Temperaturen über 60 °C aus. Dieser Wert wird von namhaften Herstellern als Obergrenze zum Schutz vor Kapazitätsverlusten und erhöhten Brandrisiken angegeben. Vermeiden Sie die Lagerung in direktem Sonnenlicht.
  • Vermeiden Sie es, den Akku Frost auszusetzen. Je länger niedrige Temperaturen auf die Zellen einwirken, desto größer ist die Gefahr von Kapazitätsverlusten und gefährlichen Zellschäden. Lagern Sie also Akkus zum Beispiel im Winter nicht in einer ungeheizten Garage.
  • Zellen/Batterien dürfen nicht kurzgeschlossen werden (Vorsicht auch bei Lagerung, bei der ein gegenseitiger Kurzschluss möglich ist. In diesen Fällen sollten die Pole abgeklebt werden).
  • Schützen Sie Zellen/Batterien vor mechanischen Stößen und Beschädigungen.
  • Die Flüssigkeit undichter Zellen darf nicht mit der Haut in Berührung kommen und keinesfalls in die Augen gelangen.
  • Entsorgen Sie Zellen/Batterien ordnungsgemäß, zum Beispiel über den Fachhandel.
  • Basteln Sie keine eigenen Akkupacks. Das Verschalten von Lithium-Ionen-Akkuzellen und Aufbauen von Batteriemanagementsystemen (BMS) gehört in die Hände von Fachleuten.

Wichtige Sicherheitshinweise für Hoverboards

Experten für Hoverboards geben weitere wichtige Hinweise:

  • Vorsicht bei sehr preiswerten Angeboten. Qualität und Sicherheit haben ihren Preis und gerade bei der überproportional großen Gefahr durch die komplexe Technologie sollten Verbraucher nachweislich geprüften Produkten den Vorzug geben.
  • Niemals länger als die empfohlene Zeit aufladen. Es gibt zahlreiche Berichte über Hoverboards, die über Nacht explodieren oder nachdem ihre Besitzer sie stundenlang aufgeladen haben. Die meisten Produkte benötigen ca. 3 Stunden, um vollständig aufgeladen zu werden. Danach sollten sie vom Stromnetz getrennt werden.
  • Lassen Sie ihr Hoverboard nicht unbeaufsichtigt beim Aufladen.
  • Wenn das Hoverboard voll aufgeladen ist, sollten Sie es nicht zu lange ungenutzt liegen lassen. Es ist empfehlenswert, eine kurze Fahrt damit zu machen, damit der Ladezustand auf mindestens 90 % sinkt.
  • Bewahren Sie Ihr Hoverboard an einem kühlen Ort auf. Hoverboard-Batterien sind hitzeempfindlich. Wenn sie zu heiß werden, können sie explodieren. Das ist bei fast allen Batterien der Fall, aber Lithium-Ionen-Batterien sind instabiler. Stellen Sie sicher, dass Sie Ihr Hoverboard nicht in einem Raum aufbewahren, von dem Sie wissen, dass er sehr heiß wird, oder dass es stundenlang direktem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Suchen Sie sich einen Ort, der relativ kühl und von brennbaren Gegenständen entfernt ist. Sollte das Hoverboard explodieren oder Feuer fangen, sollte sich das Feuer nicht schnell ausbreiten können.
  • Gehen Sie gut mit Ihrem Board um. Unsachgemäße Belastungen oder nicht vom Hersteller geplante mechanische Beschädigungen (Stöße, Fall, …) können gerade in Lithium-Ionen Akkus Defekte hervorrufen, die dann später zu Explosionen oder Feuer führen können. Auch Geländefahrten sollten Sie nur mit Produkten durchführen, die speziell für diese Beanspruchungen entwickelt und konstruiert wurden

Welche Risiken bestehen für Hersteller und Importeure von Hoverboards oder E-Scootern?

Hersteller und Quasi-Hersteller, die Hoverboards oder E-Scooter unter Ihrem Namen oder Ihrer Marke in Europa vertreiben, sollten gerade bei diesen Produkten besonderes Augenmerk darauflegen, dass Ihre Produkte sicher sind. Sie können nicht nur von Importstopps, Verkaufsverboten oder Produktrückrufen betroffen sein, sondern sich zudem enormen Schadensersatzforderungen insbesondere aus dem Produkthaftungsgesetz gegenübersehen. Gleiches gilt für Importeure, die als Inverkehrbringer in der EU für die Sicherheit der von Ihnen vermarkteten Produkte verantwortlich sind.

Beim Brand des Einfamilienhauses in Coburg (siehe Tabelle oben) entstand ein Gesamtschaden von ca. 300.000 € und es dürfte sehr wahrscheinlich sein, dass die Eigentümer des Einfamilienhauses oder eine evtl. Gebäudeversicherung versuchen werden, den Schaden bei dem Hersteller oder Importeur des Hoverboards geltend zu machen.

Haftungsrisiken für Online-Marktplätze durch neue europäische Marktüberwachungsverordnung

Dass neben Herstellern, Quasi-Herstellern und Importeuren auch Online-Marktplätze Schadensersatzforderungen riskieren, ist durch die neue Marktüberwachungsverordnung geregelt, nach der Behörden auch sogenannte Fulfillment-Dienstleister in die Verantwortung nehmen können, wenn kein anderer verantwortlicher Marktakteur in Europa vorhanden ist.

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Andere, in der Konsequenz aber ähnliche Entwicklungen gibt es auch in den USA. Hier entschied ein Berufungsgericht im Frühjahr 2021, dass Amazon für Verletzungen haftbar gemacht werden kann, welche durch Produktfehler verursacht wurden. In diesem Fall ging es ebenfalls um ein durch ein Hoverboard ausgelöstes Feuer, bei der eine Wohnung zerstört wurde und die Klägerin sich bei der Bekämpfung des Feuers Verletzungen an Händen und Füßen zuzog. Das Gericht begründete die Entscheidung gegen Amazon damit, dass Amazon die Kontrolle über die Handelskette habe, ein integraler Bestandteil der Handelskette sei und aus dieser Position einen finanziellen Vorteil ziehe. (Loomis v. Amazon.com LLC).

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Auch in einem anderen Fall wurde Amazon für einen defekten Laptop haftbar gemacht (Bolger v. Amazon.com LLC). Der Akku des Laptops explodierte und die Verbraucherin zog sich Verbrennungen zu. Auch hier urteilte das Gericht, dass Amazon ein direktes Glied in der Vertriebskette sei, da Amazon den Laptop vom Verkäufer in Besitz nahm, ihn in einem Amazon-Lagerhaus lagerte, das Produkt auf der Plattform bewarb, die Zahlung für den Laptop entgegennahm und den Laptop in einer Amazon-Verpackung an Frau Bolger versandte.

Auch Verbraucherinnen und Verbraucher können bei Bränden haften

Selbst Endverbraucherinnen oder Endverbraucher können unter besonderen Umständen von Schadensersatzforderungen durch explodierende Akkus oder brandauslösende Produkte betroffen sein, insbesondere wenn sie im Zusammenhang mit der Nutzung des Produktes fahrlässig gehandelt haben.

Das Landgericht Coburg hatte im Januar 2019 folgenden Rechtsstreit zu entscheiden: Ein Akku eines Spielzeughelikopters explodierte beim Aufladen im Keller eines Mietshauses und löste einen Brand aus. Das ausgelöste Feuer beschädigte nicht nur den Keller, sondern auch das Treppenhaus bis in das Dachgeschoss.

Mieter haftet für Feuer durch gebrauchten Helikopter

Ein in diesem Haus lebender Mieter hatte den für 8 € gebraucht gekauften Helikopter im Keller auf einen Wäschetrockner zum Laden abgestellt, auf dem sich auch ein Textilkoffer befand. Zudem standen in der Nähe weitere elektrische Geräte und eine Holzsauna. Der Brand brach ca. 10 Minuten später aus, der Mieter war zu dieser Zeit in seiner Wohnung.

Urteil des Landgerichts Coburg zur Haftung durch Endverbraucher

Das Landgericht Coburg gab der Klage des Gebäudeversicherers gegen die Privathaftpflichtversicherung des Mieters statt, da es in dem Laden des Akkus eines gebraucht gekauften Spielzeughelikopters in brennbarer Umgebung ohne Beaufsichtigung einen Sorgfaltspflichtverstoß des Mieters und damit ein fahrlässiges Handeln sah

(Az. 23 O 464/17 – https://www.kostenlose-urteile.de/LG-Coburg_23-O-46417_LG-Coburg-zur-Sorgfaltspflicht-beim-Aufladen-gebraucht-erworbener-Elektrogeraete.news28808.htm)

Zwar übernahm in diesem Falle die Haftpflichtversicherung des Mieters einen Teil des Schadens. Ohne Haftpflichtversicherung hätte der Mieter selbst für den Schaden aufkommen müssen.

Zwar gilt das Urteil und die damit verbundenen strengen Anforderungen für das Vorliegen einer Fahrlässigkeit explizit nur für gebrauchte Produkte. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass auch bei extrem preiswert gekauften Neugeräten (z.B. über Marktplätze) und sich daraus ergebenden Schäden ähnliche Urteile denkbar sind.

Empfehlungen für das Risiko-Management

Die Gefahr für Hersteller, Importeure, Fullfilment-Dienstleister und Konsumenten ist gerade bei Produkten, die durch LIthium-Ionen Akkus angetrieben werden, auch in naher Zukunft enorm. Wir empfehlen Unternehmen, die diese Produkte herstellen oder vertreiben, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die Gesamtkonzeption, die einzelnen Bauteile und das Zusammenspiel der Komponenten genauestens zu überprüfen und auch die Fertigung der Produkte möglichst engmaschig zu überwachen.

Gleiches gilt auch für den Transport und Lagerung der Produkte, da, wie gezeigt, gerade mechanische oder temperaturbedingte Einwirkungen Fehlfunktionen und Gefahren verursachen können. Konsumenten sollten die oben beschriebenen Maßnahmen sehr ernst nehmen und beherzigen, um sich möglichst gut vor Schäden für sich selbst und andere zu schützen.

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Dr. Hartmut Voss
Dr. Hartmut Voss ist Gründer und Geschäftsführer der trinasco GmbH und Experte für Produkt Compliance Management. Er hat bei führenden internationalen Unternehmen wie Pepsi-Cola, Sony und Nokia gearbeitet und erfolgreich diverse Marketing-, Vertriebs- und General Management-Funktionen übernommen. Unter anderem leitete er eine europäische Business Unit, die Produkte mit asiatischen Lieferanten entwickelte, produzierte und in Europa vermarktete.

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