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Rapex Report 2024

Inhaltsverzeichnis

Über 1.250 Produktrückrufe in 2024 – Meldungen zu gefährlichen Nonfood-Konsumgütern steigen um über 20 %

Das Safety Gate der Europäischen Union, früher bekannt als Rapex-System, dient als zentrales Informationsaustausch-System für gefährliche Produkte. Über diese Plattform informieren sich die Marktaufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten gegenseitig über Produkte, die Risiken darstellen.

Produkte, die in einem Mitgliedsstaat als gefährlich eingestuft werden, werden häufig auch in anderen Ländern vom Markt genommen. Die europäischen Behörden können Produkte, die gegen gesetzliche Anforderungen verstoßen und als gefährlich eingestuft werden, an der Grenze stoppen, aus dem Handel entfernen oder in einigen Fällen sogar bei Endverbrauchern zurückrufen lassen.

Wie viele Rapex-Meldungen gab es in den letzten vier Jahren?

Wir haben die Daten der letzten vier Jahre ausgewertet und kommen zu sehr interessanten Ergebnissen:

Im Jahr 2024 erfolgten insgesamt 4.152 Warnmeldungen auf dem Safety Gate. Dies sind 21,5 % mehr Meldungen als im Vorjahr, das mit 3.418 Meldungen schon 50 % über dem Jahr 2022 lag.  

Pro Woche wurden im Jahr 2024 im Schnitt 80 Meldungen gemacht gegenüber 66 Meldungen im Jahr 2023.

Abbildung 1: Meldungen gefährlicher Produkte im Safety Gate 2021 – 2024
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis: https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true  

Wie viele Rückrufe wurden von den Behörden ausgesprochen?

Von den 4.251 beanstandeten Produkten wurden 1.256 mit einem Produktrückruf belegt. Dies bedeutet nicht nur, dass fast jedes dritte betroffene Produkte nicht mehr verkauft werden darf. Vielmehr müssen Hersteller, Importeure oder Distributoren die Produkte bei den Endverbrauchern zurückrufen müssen, was mit einem erheblichen Aufwand und großen Kosten verbunden ist.

Im Jahr 2023 waren dies „nur“ 1.036 und damit 18 % weniger als im letzten Jahr.

Welche Produktgruppen waren besonders betroffen?

Schaut man sich die betroffenen Produktgruppen an, so stammten im Jahr 2024 die meisten gemeldeten Produkte aus dem Bereich Kosmetika. Mit fast 1.500 gemeldeten Produkten wurden demnach fast jeden Monat 125 verschiedene Kosmetika mit Verkaufsverboten oder sogar Produktrückrufen belegt. 

Mehr als 600 Meldungen betrafen die Produktkategorie Spielzeuge, elektrische Produkte incl. Beleuchtung und Multi-Media-Produkte wurden 585-mal als gefährlich eingestuft. Das Wachstum gegenüber dem Vorjahr lag damit bei Kosmetika bei 37 %, bei Spielzeugen bei 32 % und bei elektrischen Produkten sogar bei über 40 %.

Abbildung 2: Gefährliche Produkte nach Produktgruppen im Jahr 2024
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis: https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Die Anzahl der bemängelten Kleidungsstücke und Babyartikel, Schmuckstücke und Kraftfahrzeuge nahm gegenüber dem Vorjahr ab, bei den chemischen Produkten belief sich der Zuwachs auf 75 %. Damit ist der Anteil der gefährlichen chemischen Produkte auf 5% gestiegen. Zu dieser Produktgruppe zählen verschiedenste Produkte wie Lacke, Klebstoffe oder Reinigungsmittel. Am häufigsten beanstandet wurden aber mit über 100 Produkten elektronische Zigaretten und deren Inhaltsstoffe.

Welche Gefahren bergen die gefährlichen Produkte?

An erster Stelle der Gefahren standen auch im Jahr 2024 Chemikalien. Mit 2.266 Meldungen sind chemische Risiken für 55% der beanstandeten und verbotenen Produkte verantwortlich. Neben den fast 1.500 Kosmetika, deren Hauptrisiken chemischen Ursprungs waren (über 95% der Kosmetika enthielten das in kosmetischen Produkten verbotene BMHCA) waren hiervon auch Babyartikel, Bekleidung, Schmuck, Spielzeuge und Sport- und Freizeitartikel betroffen.

836 oder 20,1% der beanstandeten Produkte bargen das Risiko von verschiedensten Verletzungen, Schnittwunden oder Seh- oder Gehörschäden. 348 Produkte konnten zu Erstickungen oder Strangulation führen, 314 Produkte konnten elektrische Schläge und/oder Feuer auslösen.

Von den 249 Produkten, die eine Gefahr für die Umwelt darstellten, verstießen 226 gegen die RoHS-Richtlinie. Neun von zehn Produkten wurden aus diesem Grund mit Rücknahmen aus dem Handel und Verkaufsverboten belegt. Dies ist ein erneutes Zeichen dafür, dass die Behörden bei Elektroprodukten immer stärker auf die Einhaltung der definierten Grenzwerte achten und diese überprüfen.

Abbildung 3: Gefahren durch kritische Produkte im Jahr 2024
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis: https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Wo kommen die gefährlichen Produkte her?

Wie auch in den vergangenen Jahren stammten die mit Abstand meisten beanstandeten Produkte aus der Volksrepublik China. 1.661 Produkte oder 40% wurden aus diesem Land importiert. Aufgrund der sehr hohen Anzahl an gemeldeten Kosmetika ging der Anteil chinesischer Produkte an allen beanstandeten Produkten von fast 50% in 2022 zurück, die absolute Anzahl hat sich aber weiter erhöht.

Italien lag auch in 2024 an zweiter Stelle der beanstandeten Produkte, da 600 der beanstandeten Kosmetika aus Italien stammte – also der Produktkategorie, die im letzten Jahr vor allem von den italienischen und den ungarischen Marktaufsichtsbehörden intensiv überprüft wurden.

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Auch bei den beanstandeten Produkten aus Frankreich handelte es sich zu 69 % um Kosmetika, bei Polen waren dies 52%. Aus China stammten vor allem Spielzeuge und elektronische Produkte (über 1.000 Produkte), Kosmetika waren kaum betroffen.

Abbildung 4: Herkunftsländer der gefährlichen Produkte im Jahr 2024
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis: https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Welche Länder melden die meisten gefährlichen Produkte?

Abbildung 5: Rapex-Meldung der einzelnen Mitgliedsländer 2021 – 2024
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis: https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Wie schon im Vorjahr kamen die meisten Meldungen in 2023 aus Italien, wo extrem viele Kosmetika geprüft und beanstandet wurden. Während Italien in 2022 nur 51 Meldungen eingereicht hatte, waren es in 2024 insgesamt 1087. 

Viele Meldungen kamen zudem aus Deutschland (477), Schweden (389), Ungarn (367), Tschechien (328) und Frankreich (322). Auch die ungarischen Behörden haben sich in 2024 wieder auf die Analyse von Kosmetika konzentriert, da 47% der gemeldeten Produkte Kosmetika waren. 

Während die Meldungen in den meisten europäischen Ländern auf einem ähnlichen Niveau geblieben sind wie im Vorjahr, wurden aus Tschechien dreimal so viele Meldungen eingereicht als im Vorjahr. Neben Kosmetika (151 Meldungen) wurden von den tschechischen Behörden vor allem chemische Produkte (70), Spielzeug (45) und elektronische Zigaretten (37) analysiert und größtenteils aus dem Verkehr gezogen.

Wie aktiv sind die Mitgliedsländer bei der Marktüberwachung?

Auf den ersten Blick ist es naheliegend, dass bevölkerungsreiche Länder wie Deutschland, Frankreich oder Polen in absoluten Zahlen mehr gefährliche Produkte melden als kleinere Länder wie Lettland, Luxemburg oder Zypern. Doch wie sieht das Bild aus, wenn man die Bevölkerungsgröße berücksichtigt und die Anzahl der Meldungen auf 1 Million Einwohner umrechnet? Diese Perspektive offenbart äußerst interessante Erkenntnisse:

Abbildung 6: Meldung gefährlicher Produkte pro 1 Mio. Einwohner 2023 und 2024 (Mittelwerte gestrichelt)
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis: https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Im Durchschnitt haben die europäischen Mitgliedsländer im Jahr 2023 insgesamt ca. 8 Produkte pro 1 Mio. Einwohner als gefährlich gemeldet (Basis: Bevölkerungszahl pro Mitgliedland am 1.1.2020 lt. Eurostat – in der Abb. 6 gekennzeichnet durch die blaue gestrichelte Linie). Dies sind knapp 1,4 Produkte mehr als im Jahre 2023 als der Durchschnittswert 6,6 betrug (rote gestrichelte Linie).

Deutschland liegt mit einem Faktor von 5,7 etwas unter diesem Durchschnittswert. Spitzenreiter in dieser Betrachtung ist Zypern mit 74,3 Meldungen pro 1 Mio. Einwohner. Ebenfalls außerordentlich aktiv sind Länder wie Litauen (53,3) Malta (44,7), Schweden (37,7) und Ungarn (37,6).

Gar nicht oder kaum aktiv sind hingegen Griechenland (0,4) und Spanien (0,5). Unterdurchschnittliche Werte erzielen aber auch Portugal (2,7), Niederlande (3,2), Belgien (3,5) oder Rumänien (4,1). Italien hat sich durch seine Aktivitäten im Bereich der Kosmetika in 2024 mit 18 Meldungen pro 1 Mio. Einwohner im vorderen Mittelfeld platziert, während es in 2022 noch zu einem der Länder mit den wenigsten Meldungen zählte.

Diese Analyse macht deutlich, dass vor allem viele kleinere Länder, bezogen auf ihre Einwohnerzahl, eine bemerkenswerte Aktivität im Bereich der Marktüberwachung zeigen. Gleichzeitig wirft es Fragen auf, warum in einigen größeren Ländern offenbar kaum Prüfungen stattfinden.

Angesichts der Annahme, dass auf den Märkten in Spanien, Griechenland oder Portugal ähnlich unsichere Produkte wie in anderen EU-Ländern angeboten werden, erscheint es schwer nachvollziehbar, dass in diesen Ländern kaum gefährliche Produkte identifiziert und im Safety Gate gemeldet werden.

Welche Bedeutung haben diese Ergebnisse für Unternehmen?

Der drastische Anstieg an gefährlichen Produkten, die über das Safety Gate an alle Mitgliedsländer gemeldet werden, zeigt eindrucksvoll, dass die Marktüberwachungsbehörden ihre Kontrollen erheblich intensiviert haben.  

Die gezielte Fokussierung auf bestimmte Produktkategorien in einzelnen Ländern verdeutlicht zudem, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten immer enger wird – ein für Unternehmen ernstzunehmender Schritt hin zu noch effizienteren und konsequenteren Maßnahmen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass nicht-konforme Produkte entdeckt und mit Verkaufsverboten oder Rückrufaktionen belegt werden, ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal spürbar gestiegen.

Für Unternehmen bedeutet dies ein deutlich erhöhtes Risiko, erhebliche finanzielle Verluste zu erleiden. So zeigt eine Untersuchung der Allianz, dass Produktrückrufe von Elektroartikeln oder Spielzeugen schnell Kosten von 650.000 bis 1.000.000 € verursachen können. Selbst Importverbote können bereits bei mittelgroßen Lieferungen mit 50.000 bis 100.000 € zu Buche schlagen – und das ohne die zusätzlichen Kosten für Vertragsstrafen oder den kaum wieder gut zu machenden Imageverlust.

Welche Konsequenzen sollten Unternehmen aus den Ergebnissen ziehen?

Wir empfehlen unseren Kunden, dem Produkt Compliance Management, stichprobenartigen Tests und vor allem einer vollständigen und zuverlässigen Dokumentation einen deutlich höheren Stellenwert beizumessen und Schäden in beträchtlicher Höhe abzuwenden.

Die neue Produktsicherheitsverordnung fordert interne Risikoanalysen und vollständige technische Dokumentationen seit Dezember 2024 auch für bisher nicht explizit regulierte Produktbereiche.

Gerne helfen wir Ihnen beim Aufbau eines geeigneten Risikomanagements und unterstützen Sie im Verlauf der Konformitätsbewertung. Dies umfasst unter anderem die Ermittlung der produktspezifischen Anforderungen, die Erstellung der technischen Dokumentation, die Risikoanalyse und die Konzeption vollständiger und aktueller EU-Konformitätserklärungen.

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Dr. Hartmut Voss
Dr. Hartmut Voss ist Gründer und Geschäftsführer der trinasco GmbH und Experte für Produkt Compliance Management. Er hat bei führenden internationalen Unternehmen wie Pepsi-Cola, Sony und Nokia gearbeitet und erfolgreich diverse Marketing-, Vertriebs- und General Management-Funktionen übernommen. Unter anderem leitete er eine europäische Business Unit, die Produkte mit asiatischen Lieferanten entwickelte, produzierte und in Europa vermarktete.

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