
Der digitale Produktpass (DPP) ist eines der ambitioniertesten Vorhaben der Europäischen Union im Rahmen des Green Deals. Ziel ist es, Umwelt- und Nachhaltigkeitsdaten künftig zentral und digital für eine Vielzahl von Produktgruppen bereitzustellen – über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Was auf den ersten Blick nach bürokratischer Pflicht klingt, ist in Wahrheit ein großer Schritt in Richtung nachhaltiger Wirtschaft und Kreislaufwirtschaft.
Hersteller, Importeure und Händler stehen vor der Aufgabe, Daten bereitzustellen, die bislang entweder gar nicht existierten oder nur unstrukturiert vorlagen. Gleichzeitig entstehen neue Chancen: durch effizientere Prozesse, neue Serviceangebote und eine transparentere Kommunikation mit Kunden. In diesem Artikel, der auf einer Vortragsreihe der trinasco GmbH basiert, zeigen wir die wichtigsten Hintergründe, Entwicklungen und Handlungsempfehlungen auf.
Der digitale Produktpass ist ein strukturierter Datensatz, der digitale Informationen über ein Produkt bündelt – von verwendeten Materialien über gefährliche Stoffe bis hin zu Reparaturanleitungen. Er begleitet das Produkt über den gesamten Lebenszyklus hinweg und soll sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern und Recyclingbetrieben ermöglichen, fundierte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Damit wird der DPP zur Schnittstelle zwischen regulatorischen Anforderungen, technischer Dokumentation und Marktkommunikation. Ziel ist es, standardisierte Formate zu schaffen, um Daten effizient zwischen Akteuren entlang der Lieferkette auszutauschen – und so einen entscheidenden Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten.
Neben der Erfüllung regulatorischer Anforderungen bietet der DPP zahlreiche betriebliche Vorteile. Die zentrale Verfügbarkeit von Produktdaten ermöglicht eine bessere Kommunikation mit Lieferanten und Kunden, reduziert Aufwände bei Rückrufen und steigert die Transparenz über Materialverwendung, Energieverbrauch und Reparierbarkeit. Zudem entstehen neue Potenziale für digitale Geschäftsmodelle, etwa durch Cross-Selling, After-Sales-Services oder individuelle Reparaturangebote.
Der digitale Produktpass wird durch mehrere EU-Verordnungen eingeführt und flankiert. Zentrale Bedeutung hat dabei die neue Ökodesign-Verordnung (EU) 2024/1781, die im Juli 2024 in Kraft getreten ist. Sie schafft den Rahmen für produktbezogene Anforderungen, die in sogenannten delegierten Rechtsakten konkretisiert werden. Weitere relevante Vorschriften sind die Batterie-Verordnung (EU) 2023/1542, die neue Bauprodukte-Verordnung (EU) 2024/3110 sowie der Vorschlag für eine neue Spielzeugverordnung.
Abbildung 1: Überblick über relevante EU-Verordnungen mit Bezug zum digitalen Produktpass
Ab Juli 2025 beginnt die EU-Kommission mit der Veröffentlichung erster delegierter Rechtsakte. Der digitale Produktpass wird dann sukzessive für priorisierte Produktgruppen verpflichtend. Ein digitales Produktpass-Register ist ab Juli 2026 geplant.
Abbildung 2: Zeitplan zur Umsetzung des digitalen Produktpasses gemäß Ökodesign-Verordnung
Der DPP wird weitreichende Informationen beinhalten. Dazu gehören neben technischen Daten und Kennzeichnungen auch Nachweise zur Konformität, Informationen zu Materialien und Substanzen, CO2-Fußabdrücke und Daten zur Reparierbarkeit. Diese Informationen müssen strukturiert und maschinenlesbar vorliegen, um eine automatische Verarbeitung zu ermöglichen.
Ein zentraler Orientierungsrahmen ist der Bericht des Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission. Dieser 388-seitige Bericht identifiziert priorisierte Produktgruppen und macht konkrete Vorschläge zu den Kriterien, die künftig im digitalen Produktpass dokumentiert werden sollen.
Dazu gehören u.a. Anforderungen an Energie- und Ressourceneffizienz, Reparierbarkeit, Rezyklierbarkeit und Transparenz über gefährliche Inhaltsstoffe. Besonders im Fokus stehen Branchen wie Textilien, Möbel, Elektronik sowie Chemikalien und Werkstoffe (Stahl, Aluminium).
Abbildung 3: Beispiele potenzieller Ökodesign-Anforderungen für Möbel laut JRC-Report
Im April 2025 hat die EU-Kommission den ersten Arbeitsplan zur Umsetzung der Ökodesign-Verordnung veröffentlicht. Dieser Plan basiert auf den Erkenntnissen des JRC-Reports, weicht in einigen Punkten aber deutlich davon ab. Während der JRC-Bericht u. a. Reinigungsmittel, Farben, Schmiermittel, Schuhe und Chemikalien als besonders prioritäre Produktgruppen identifizierte, sind diese im offiziellen Arbeitsplan der EU-Kommission vorerst nicht enthalten.
Stattdessen legt der Arbeitsplan den Fokus auf Produkte wie Möbel, Textilien, Elektronik, Reifen, Schmierstoffe und Waschmittel. Die EU betont, dass der Arbeitsplan regelmäßig überarbeitet und erweitert werden soll – betroffene Branchen sollten daher die weitere Entwicklung genau beobachten.
Abbildung 4: Priorisierung von Produktgruppen im Arbeitsplan der EU-Kommission
Noch gibt es keinen einheitlichen Standard für den digitalen Produktpass. Verschiedene Normungsgremien aus mehreren Ländern arbeiten derzeit in verschiedenen Arbeitsgruppen an Themen wie Veraltung von Zugriffsrechten, Interoperabilität, Datenspeicherung und Datenpersistenz, u.v.m. In Deutschland ist das Deutsche Institut für Normung (DIN) federführend und hat im Juni bereits erste Vorschläge zu Protokollen für den sicheren und standardisierten Datenaustausch veröffentlicht.
Abbildung 5: Übersicht zu Normungsaktivitäten auf EU- und nationaler Ebene
Neben dem DIN sind auch internationale Organisationen wie GS1 aktiv. In der Praxis existieren erste Pilotprojekte, z. B. mit digitalen Zwillingen im Maschinenbau oder RFID-Tags in der Textilindustrie. QR-Codes, digitale Etiketten und Webportale werden vermutlich zentrale Elemente der Umsetzung sein.
Abbildung 6: Vorschlag des DIN zu Protokollen für den Datenaustausch (Entwurf Juni 2025)
Unternehmen sollten sich frühzeitig auf die Einführung des DPP vorbereiten. Dazu gehört zunächst die Einrichtung eines interdisziplinären Projektteams, das technische, regulatorische und prozessuale Fragestellungen koordiniert. Anschließend gilt es, eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Produktdaten und -systeme durchzuführen.
Besonders wichtig ist der Austausch mit Lieferanten und Kunden, um frühzeitig Informationen zu identifizieren, die künftig verpflichtend sein werden. Auch die Beobachtung von Brancheninitiativen, Normenprozessen und EU-Veröffentlichungen ist essenziell.
Der digitale Produktpass ist keine ferne Zukunftsvision mehr, sondern konkrete Realität. Unternehmen, die jetzt handeln, können nicht nur Risiken minimieren, sondern sich auch strategische Vorteile sichern. trinasco begleitet Sie auf diesem Weg – mit Expertise, Netzwerk und maßgeschneiderter Unterstützung.
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