Anzahl gefährlicher Produkte in Europa steigt um 32,5%

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Meldungen gefährlicher Produkte im Safety Gate 2021: 32,5 % mehr gefährliche Produkte in Europa – kaum Gefahren für Unternehmen in Spanien, Griechenland und Italien 

Im Safety Gate der europäischen Union werden wöchentlich gefährliche Produkte gemeldet, die von den europäischen Behörden an der Grenze gestoppt, vom Markt genommen oder sogar bei Endkonsumenten zurückgerufen werden müssen. Das auch unter dem Namen Rapex-System bekannte Safety Gate ist das europäische Informationsaustausch-System, über das sich die Marktaufsichtsbehörden der Mitgliedsländer gegenseitig über gefährliche Produkte informieren. Wenn Produkte in einem Mitgliedsstaat als gefährlich oder schädlich eingestuft werden, nehmen die nationalen Marktaufsichtsbehörden dies in der Regel zum Anlass, die Produkte auch in diesen Ländern vom Markt zu nehmen.

Wie viele Rapex-Meldungen gab es in den letzten drei Jahren?

Wir haben die Daten der letzten drei Jahre ausgewertet und kommen zu sehr interessanten Ergebnissen:Die Anzahl der Meldungen ging gegenüber 2019 und 2020 um insgesamt 3,8 % zurück,bewegt sich aber immer noch auf sehr hohem Niveau. Pro Woche wurden damit auch in 2021 über 40 gefährliche Produkte gemeldet und vom Markt genommen.

Abbildung 1: Meldungen gefährlicher Produkte im Safety Gate 2019-2021
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis:
https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf diese Zahlen ausgewirkt?

Bei diesen Zahlen muss jedoch berücksichtigt werden, dass die stationären Handelsgeschäfte, in denen vorwiegend Nonfood-Konsumgüter verkauft werden, in 2021 lt. HDE über 100 Tage geschlossen waren. Es liegt auch nahe, dass die Marktaufsichtsbehörden in dieser Lock Down-Phase Zeit in viel geringerem Umfang tätig waren oder werden konnten. Legt man also eine vergleichbare Anzahl von Öffnungstagen bzw. Einsatztagen der Behörden zugrunde, so dürften sich die gefährlichen Produkte gegenüber dem Vorjahr um 32,5 % erhöht haben.

Welche Produktgruppen sind von Rapex-Meldungen besonders betroffen?

Schaut man sich die betroffenen Produktgruppen an, so stammten im Jahre 2021 insgesamt 26,2 % der gemeldeten Produkte aus dem Bereich Kraftfahrzeuge, dicht gefolgt von Spielzeugen mit 20,0 % und elektrischen Produkten mit 13,1 %. Unter die Gesamtkategorie elektrische Produkte haben wir dabei die Unterkategorien Kommunikation- und Multimedia, Elektrogeräte und -zubehör, Lichterketten und Beleuchtung zusammengefasst. 

Zählt man zu den Spielzeugen auch die Rubriken Babyartikel und Kinderbedarf sowie Bekleidung, Textilien und Modeartikel hinzu, so ergibt sich hierdurch ein Anteil von fast 30 % an Produkten, die vor allem von Kindern benutzt werden. 30 % der Produkte sind also insbesondere gefährlich für Kinder und hierauf legen die europäischen Marktaufsichtsbehörden zu Recht ein immer stärkeres Gewicht.

Abbildung 2: Gefährliche Produkte nach Produktgruppen 2021
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis:
https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Einen deutlich größeren Anteil als noch vor zwei Jahren hatten in den letzten beiden Jahren die sogenannten persönlichen Schutzausrüstungen, zu denen in 2019 und 2020 vor allem Atemschutzmasken gehörten. Waren in 2019 nur 24 Meldungen im Bereich persönliche Schutzausrüstungen eingegangen, so stiegen diese in 2020 auf 175 und in 2021 auf 163. Jedes 12. gefährliche Produkt in 2021 kam aus dem Bereich der Atemschutzmasken, die entweder gar nicht geprüft waren, falsche CE-Kennzeichnungen und Konformitätserklärungen hatten oder den vorgegebenen Anforderungen und Grenzwerten nicht entsprachen.

Welche Gefahren bergen die gefährlichen Produkte?

An erster Stelle der Gefahren stehen „allgemeine Verletzungen“, die aus verschiedenen Gründen herrühren und verschiedenste Produkte betreffen können. Die zweithäufigste Gefahr bestand 2021 in chemischen Risiken, die ebenfalls in so gut wie allen Produkten auftauchen können. Die meisten Produkte in dieser Kategorie (oft auch Spielzeugen) enthielten nicht erlaubte giftige Substanzen (z.B. PAKs, Phtalate, Blei, Cadmium, Nickel, …) in viel zu hohen Konzentrationen.

Abbildung 3: Gefahren durch kritische Produkte 2021
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis:
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Risiko Nr. 3 und 4 waren Feuer und elektrische Schläge, die oft gleichzeitig bei elektrischen Produkten auftauchen und in der Regel durch fehlerhafte Konzeption und/oder Produktionsmängel verursacht werden. Betroffen hiervon waren nicht nur Küchengeräte, Lichterketten oder Ladegeräte, sondern auch Elektroroller, Adapter, Massagegeräte, u.v.m. 

Die Gefahren-Kategorie Ersticken/blockierte Atemwege ist ein sehr oft zu beobachtendes Risiko bei Spielzeugen. Nahezu jedes 10. Produkt und mehr als die Hälfte der Spielzeuge wurden aufgrund dieser Gefahr von den Behörden vom Markt genommen. 

Wo werden die gefährlichen Produkte produziert?

Aufgrund der globalen Beschaffungsaktivitäten der Unternehmen und der aktuellen Markt- und Produktionssituation ist es nicht überraschend, dass fast jedes zweite der gefährlichen Produkte aus der Volksrepublik China stammt. Nimmt man die gefährlichen Produkte hinzu, bei denen kein Ursprungsland ermittelt werden konnte („Herkunftsland unbekannt“) und ordnet diese zumindest zu 50 % ebenfalls dem Herkunftsland China zu, so kommen ca. 52,4 % der gefährlichen Produkte aus China.

Abbildung 4: Herkunftsländer der gefährlichen Produkte 2021
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis:
https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

An zweiter Stelle rangiert Deutschland, was aber maßgeblich damit zusammenhängt, dass Deutschland ein großer Produzent von Kraftfahrzeugen ist und diese Produktkategorie die meisten Meldungen auf sich vereint. Im Jahr 2021 waren 92 % der Meldungen von Produkten aus Deutschland dem Sektor Kraftfahrzeuge zuzuordnen.

Neben China, Deutschland und Unbekannt sind die größten Herkunftsländer gefährlicher Produkte die Türkei und Frankreich, gefolgt von den USA. Der Anteil dieser Länder ist aber mit 3,7 %, 3,7 % und 3,2 % prozentual recht gering.

In welchen Ländern ist die Anzahl der RAPEX-Meldungen am höchsten?

Abbildung 5: Rapex-Meldung der einzelnen Mitgliedsländer 2019-2021
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis:
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Analysiert man die einzelnen Meldungen pro Mitgliedland, so ist erkennbar, dass Deutschland und Frankreich in 2021 die meisten gefährlichen Produkte in das Safety Gate eingestellt haben. Im Jahre 2020 war das Vereinigte Königreich ebenfalls sehr aktiv, in 2021 haben die britischen Behörden offenbar andere Prioritäten gesetzt und kaum noch Meldungen in das europäische System eingegeben.

Neben den beiden bevölkerungsstarken Ländern Deutschland und Frankreich waren in 2021 auch Polen, Ungarn, Schweden und Belgien sehr aktiv und meldeten jeweils über 100 Produkte. Länder wie Italien oder Spanien melden demgegenüber verhältnismäßig wenige Produkte im Safety Gate der europäischen Union.

Wie aktiv sind die Mitgliedsländer bei der Marktüberwachung?

Es scheint offensichtlich, dass bevölkerungsstarke Länder wie Deutschland, Frankreich oder Polen absolut mehr Produkte als gefährlich melden als die viel kleineren Länder wie Lettland, Luxemburg oder Zypern. Wie verhält es sich aber, wenn man die Größe der Bevölkerung in diese Betrachtung einbezieht und die Meldungen pro 1 Mio. Einwohner betrachtet? Hier zeigen sich sehr interessante Ergebnisse:

Abbildung 6: Meldung gefährlicher Produkte pro 1 Mio. Einwohner 2021
Quelle: eigene Darstellung, Graphik auf Basis:
https://ec.europa.eu/safety-gate-alerts/screen/search?resetSearch=true

Im Durchschnitt haben die europäischen Mitgliedsländer im Jahre 2021 insgesamt 4,1 Produkte pro 1 Mio. Einwohner als gefährlich gemeldet (Basis: Bevölkerungszahl pro Mitgliedland am 1.1.2020 lt. Eurostat – in der Abb. 6 gekennzeichnet durch die rote Linie). Deutschland liegt mit einem Faktor von 6,7 leicht über diesem Durchschnittswert im vorderen Mittelfeld. Spitzenreiter in dieser Betrachtung ist Zypern mit 51,8 Meldungen pro 1 Mio. Einwohner. Ebenfalls außerordentlich aktiv sind Länder wie Luxemburg (41,5), Irland (33), Litauen (23,3) und Malta (21,4). 

Gar nicht oder kaum aktiv sind hingegen Spanien (0,1), Griechenland (0,2) und Italien (0,7). Unterdurchschnittliche Werte erzielen aber auch Norwegen (1,3), Niederlande (2,4) und Österreich (2,4). Wenn man davon ausgeht, dass auf den Märkten in Spanien, Italien oder Griechenland ähnlich unsichere Produkte vermarktet werden wie in den übrigen Ländern der EU, so ist kaum nachvollziehbar, dass in diesen Ländern so gut wie keine gefährlichen Produkte gefunden und in das Safety Gate eingestellt werden. 

Welche Risiken bestehen für Unternehmen, wenn Ihre Produkte im Safety Gate auftauchen?

Wenn in einem Mitgliedsland ein Produkt als gefährlich eingestuft und mit einem Verkaufsverbot oder mit einem Produktrückruf belegt wird, reagieren die Marktaufsichtsbehörden in anderen Mitgliedsstaaten in der Regel recht zügig. Oft kommt es vor, dass in den Safety Gate Meldungen für ein Produkt bereits festgehalten ist, welche anderen Mitgliedsstaaten ebenfalls entsprechende Maßnahmen für dieses Produkt erlassen haben. Im Jahre 2020 betrug die Anzahl der sogenannten „follow up actions“ 238 % der ursprünglichen „alerts“ (Meldungen). Unternehmen müssen also damit rechnen, dass ihre gefährlichen Produkte in mindestens 1,4 weiteren Mitgliedsländern mit Verkaufsverboten oder Rückrufen belegt werden. 

Hinzu kommt, dass insbesondere große Handelskonzerne die Meldungen im Safety Gate intensiv beobachten und bei Meldungen sehr schnell reagieren. Oft werden dann nicht nur die betroffenen Produkte eines Lieferanten sofort gesperrt und auf Kosten des Lieferanten zurückgeschickt, sondern auch andere Produkte des Lieferanten sehr kritisch gesehen. Da die Rapex-Meldungen zudem sehr lange im System bleiben und auch nach Jahren noch präsent sind, besteht für die betroffenen Unternehmen ein immenser Imageschaden. 

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Dr. Hartmut Voss
Dr. Hartmut Voss ist Gründer und Geschäftsführer der trinasco GmbH und Experte für Produkt Compliance Management. Er hat bei führenden internationalen Unternehmen wie Pepsi-Cola, Sony und Nokia gearbeitet und erfolgreich diverse Marketing-, Vertriebs- und General Management-Funktionen übernommen. Unter anderem leitete er eine europäische Business Unit, die Produkte mit asiatischen Lieferanten entwickelte, produzierte und in Europa vermarktete.

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