Ein Hersteller vertreibt Kompressoren, die in Zahnarztpraxen zur Erzeugung von Druckluft
eingesetzt werden. Diese Geräte wurden jedoch nicht als Medizinprodukte, sondern als
„technische Geräte“ nach der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG auf den Markt gebracht und mit
dem entsprechenden CE-Zeichen versehen – nicht jedoch nach der EU-
Medizinprodukteverordnung (EU) 2017/745 (MDR). Eine Herstellerin von Zubehör für
Medizinprodukte der Risikoklasse IIa klagte, weil der Händler diese Kompressoren ohne MDR-
CE-Kennzeichnung und ohne EU-Konformitätserklärung vertrieben habe. Sie verlangte ein
Vertriebsverbot. Der Händler entgegnete, er habe sich auf die Angaben des Herstellers
verlassen.
Die Instanzgerichte (u. a. LG Stade und OLG Celle) entschieden, dass Händler gemäß Artikel 14
MDR verpflichtet sind, anhand der Gebrauchsanweisung zu prüfen, ob ein Produkt als
Medizinprodukt oder Zubehör einzustufen ist, und ob es eine CE-Kennzeichnung sowie eine EU-
Konformitätserklärung nach MDR trägt. Eine Prüfung der Risikoklasse oder der benannten Stelle
sei dagegen nicht erforderlich. Der Bundesgerichtshof (BGH) legte dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) fünf Auslegungsfragen zur genauen Reichweite dieser Prüfpflichten vor.
Nach Ansicht des BGH kann Händlern zugemutet werden, im Zweifel zu prüfen, ob ein Produkt
als Medizinprodukt gilt und ob es ordnungsgemäß nach MDR gekennzeichnet ist.
Händler von Medizinprodukten müssen künftig mit strengeren Prüfpflichten rechnen. Sie dürfen
sich nicht allein auf Herstellerangaben verlassen, sondern müssen eigenständig anhand der
Produktunterlagen und Gebrauchsanweisungen prüfen, ob ein Gerät unter die MDR fällt und
korrekt gekennzeichnet ist. Unterlassen sie dies, drohen Haftungs- und Unterlassungsrisiken.
Hersteller sollten daher klar kommunizieren, ob ihre Produkte als Medizinprodukte einzustufen
sind, und entsprechende Nachweise bereitstellen. Unternehmen sollten ihre internen Abläufe und
Dokumentationen anpassen, um MDR-Pflichten sicher einzuhalten.